Auf Indiens Straßen tummeln sich viele Kühe und denken nicht daran, den Autos oder Menschen auszuweichen. Und niemand denkt daran, eine Kuh zu verscheuchen. Für Hindus ist die Kuh die Göttin aller Götter. Vom Hochzeitsessen bekommt eine Kuh den ersten Bissen.

"Niemand darf die Kuh stören, belästigen oder ihr ohne Respekt begegnen. Das Töten der Kuh ist die abscheulichste aller irdischen Sünden", heißt es in den Lehren Gott Krishnas. Rindfleisch ist für die meisten Hindus tabu. Kühe erhalten bunten Kopfschmuck und im Fernsehen werden Schönheitswettbewerbe für Kühe übertragen. In fast allen indischen Bundesstaaten steht das Schlachten von Hausrindern unter Strafe.

Da überrascht es doch sehr, dass Indien einer der weltweit größten Lederexporteure ist. 2016 exportierte Indien Leder im Wert von sechs Milliarden Euro.

Kühe werden einfach auf der Straße eingefangen und zu Millionen in illegalen Schlachthäusern geschlachtet. Man betäub die Tiere mit Chloroform versteckt sie in Lastwagen, Minibussen und ausgedienten Krankenwagen. Damit werden sie zum Schlachten transportiert.

Der Bedarf an Leder ist enorm und die Verdienstmöglichkeiten gut. Lederbekleidung ist wieder groß in Mode und westliche Ladenketten haben Lederjacken, -hosen und -röcke zu Spottpreisen im Angebot. Handtaschen und Schuhe sind zu schnell veralteten Wegwerfartikeln geworden und werden immer günstiger produziert und angeboten. Es gibt kaum eine bekannte Marke, die nicht in Indien produzieren lässt. An die 90 Prozent des indischen Leders landet in der Europäischen Union, Deutschland ist der zweitwichtigste Absatzmarkt.

Gläubige Hindus haben in Indien nun der Lederindustrie und den illegalen Kuhfängern den Kampf angesagt. Sie schließen sich zu einer Art Bürgerwehr zusammen und ziehen nachts bewaffnet durch die Straßen um Kühe zu beschützen und zu retten. "Gau Raksha Dal" – Kuhrettungsteams heißen diese Gruppen, die es inzwischen in Indien tausendfach gibt.

Auch auf politischer Ebene gibt es vor allem in den von der Regierungspartei BJP geprägten Bundesländern Bestrebungen den Schutz der Kuh zu verstärken und für das Töten einer Kuh Strafen bis hin zu lebenslanger Haft zu verhängen.

Text: Marion Roppelt; Foto: Antje Pöhner